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Glutamin – ein Überblick

Chemische Struktur von Glutamin abgebildet auf einem Tablet

Inhalt

L-Glutamin ist entscheidend für eine Vielzahl von intrazellulären Stoffwechselschritten – unter anderem, wenn ein Ammoniak (-NH3) an ein Molekül angehängt werden muss, z. B. bei der körpereigenen  Synthese von diversen Aminosäuren oder Nukleotiden. L-Glutamin kann aber auch leicht als hochwertiger Brennstoff in den Krebs-Zyklus (Zitratzyklus) eingeschleust werden und somit zur ATP-Produktion dienen. Auch für den Ammoniak- Austausch zwischen den Organen ist es die entscheidende Substanz. Dieser Artikel soll einen Überblick über die vielfältigen Aufgaben von L-Glutamin im Metabolismus und die Benefits einer oralen Supplementierung bieten.

Stoffwechsel

L-Glutamin ist eine bedingt essenzielle Aminosäure. Ein gesunder, gut versorgter Stoffwechsel kann das vielseitig verwert- und verwendbare L-Glutamin auch aus anderen Aminosäuren herstellen – und er tut dies auch intensiv. Mit der Nahrung nehmen wir im Schnitt zwischen 6 und 10 g L-Glutamin (aus Proteinen) zu uns. Aus anderen Aminosäuren oder Stoffwechselmetaboliten synthetisiert unser Körper hingegen jeden Tag zwischen 40 und 80 g L-Glutamin. In allen Geweben ist die L-Glutamin-Menge mindestens 10-mal höher als die Menge an anderen Aminosäuren. Im Blutplasma liegen rund 20 % des Aminosäurenpools als L-Glutamin vor, in den Muskel und Leberzellen beträgt der Anteil bis zu 60 %. In Lungengewebe, Gehirn und Fettgewebe, vor allem aber in der Leber und der Skelettmuskulatur erfolgt eine ausgeprägte endogene Glutamin-Synthese und das entstandene Glutamin wird über die Blutbahn zur Leber und zur Niere transportiert. In der Leber wird Glutamin hydrolytisch gespalten, es entstehen Glutamat und Ammoniumionen. Diese Ammoniumionen können über den Harnstoffzyklus zum ungiftigen Harnstoff umgewandelt werden. Der Harnstoff wird über die Niere ausgeschieden. In der Niere kann auch Glutamin gespalten werden, wobei das entstehende NH4+ als Ammoniumhydrogencarbonat (NH4HCO3) ausgeschieden wird. Dieser Prozess dient vor allem zur pH-Regulation in der Niere. Der intensive L-Glutamin-Metabolismus der Leber wird z. B. auch labortechnisch genutzt: Die sogenannten „Leberenzyme“ Aspartat-Aminotransferase (ASAT bzw. GOT) und Alanin-Aminotransferase (ALAT bzw. GPT) sind beides Glutamat bildende Enzyme, die GOT (Glutamat-Oxalacetat Transaminase) primär in den Mitochondrien, die GPT (Glutamat Pyruvat-Transaminase) eher im Cytoplasma. Aus dem aus anderen vorhandenen Aminosäuren gebildeten Glutamat (Salz der Glutaminsäure) kann sodann in der Leber auch frisches Glutamin gebaut werden, indem ein -NH3 angehängt wird.

 

Glutamin-produzierende und -verbrauchende Gewebe

Glutamin-produzierende und -verbrauchende Gewebe

(A): Bei Gesundheit und bei gutem Ernährungsstatus sind die Glutamin -Blutspiegel im Gleichgewicht. Dies wird v. a. von Leber und Muskel sichergestellt. (B) Der Darm, der schon bei guter Gesundheit am meisten L-Glutamin verbraucht, hat einen erhöhten Bedarf bei Krankheit oder Stress, und die Leber verbraucht L-Glutamin, u. a. um die Gluconeogenese aufrecht zu halten. Hirn und Niere benötigen L Glutamin in Situationen (A) und (B). Adaptiert von Cruzat V 2018

Bei verringerter Kohlenhydrat- oder Aminosäurenzufuhr, bei hohem Energieumsatz, Krankheiten oder Stress kann die Leber aber auch eine Glutamin-Nettoverbraucherin werden (um die Gluconeogenese sicherzustellen) anstelle einer Produzentin. Das Muskelgewebe ist dann fast allein für die Bereitstellung von Glutamin für alle anderen  Organsysteme verantwortlich, senkt aber nun seine hohe Syntheserate auch deutlich, um nicht zu viele Muskelproteine opfern zu müssen wegen der katabolen Situation. Dies führt dazu, dass die Konzentration von L-Glutamin im Blut absinkt. Nun wird die Aminosäure quasi essenziell, d. h., der Körper kann nicht mehr alles Glutamin synthetisieren und ist auf eine gute orale Zufuhr angewiesen. Was die Situation zusätzlich verschärft: In der Stresssituation benötigen der Darm und das Immunsystem deutlich mehr Glutamin. In folgenden katabolen Situationen kann L-Glutamin somit eine essenzielle Aminosäure werden:

■ Krebs
■ Sepsis
■ Infektionen
■ chirurgische Eingriffe
■ Trauma
■ intensive und lang anhaltende physische Belastungen

Darm und Immunsystem

Verbraucht wird das zirkulierende Glutamin vor allem von Darmzellen und Immunzellen (als Energiesubstrat) sowie in der Niere (zur Regulierung des Ammoniak-Gehaltes). Es wird geschätzt, dass Enterozyten rund 13 % des täglich synthetisierten L-Glutamins, also rund 5 bis 10 g täglich, „verbrennen“, also sogar mehr Energie aus L Glutamin als aus Glucose beziehen, wenn man noch berücksichtigt, dass sie das mit der Nahrung zugeführte Glutamin auch für sich beanspruchen. Langes Fasten und Fehlernährung reduzieren auch die Glutamin-Verfügbarkeit für die Darmzellen, was zu einer erhöhten bakteriellen Translokation, d. h. einer weniger intakten Darmbarriere führt. In den Darmzellen selbst führt der Glutamin-Mangel vermehrt zu proinflammatorischen Signalen (via NF-kappaB), zu Ubiquitin vermitteltem Abbau von Eiweissen und zu vermehrtem Zelltod. Mittels einer Supplementierung von L-Glutamin in Stresssituationen kann also dem Darm geholfen werden, weshalb L-Glutamin ein Teil der Immunonutrition bei enteraler Ernährung ist – und weshalb es in der Intensivmedizin nicht nur bei Verbrennungspatienten, sondern teilweise sogar auch parenteral verabreicht wird. Auch bei der Darmpflege resp. dem Wiederaufbau einer intakten Darmschleimhaut hilft Glutamin, indem es den „leaky gut“ vermindert, was sich wiederum positiv auf lokale Entzündungsparameter auswirkt. Ein gut genährter Darm ist dichter als ein weniger gut versorgter. In Studien zur Darmgesundheit sowie im erfahrungsmedizinischen Bereich der Darmsanierung werden meist 3 bis 30 g L-Glutamin täglich eingesetzt. Nicht nur wegen der negativen Effekte auf die Darmgesundheit kann ein Glutaminmangel zu einer erhöhten Zahl an Infekten führen. Gewisse Zellen des Immunsystems sind auch auf L-Glutamin angewiesen. L-Glutamin ist ein wichtiger Regulator der Leukozytenfunktion und der Makrophagenaktivität, welche es via Steuerung der Genexpression oder Aktivierung von Signalisationskaskaden anregt.

In Studien zur Wundheilung zeigte L-Glutamin (i. d. R. 15 bis 35 g pro Tag) eine Verbesserung der Stickstoffbilanz, von Entzündungsmarkern wie CRP, IL-6 und TNF-a, eine bessere humorale und zelluläre Immunantwort, aber auch eine verringerte Mortalität und Krankenhausverweildauer. Bei Krebs zeigt sich, dass viele Tumore nicht nur einen gestörten Glucose Stoffwechsel haben, sondern oft auch auf L-Glutamin als Energiesubstrat zurückgreifen und L-Glutamin auch benötigen für die Synthese von Nukleotiden und Aminosäuren, um antioxidativ wirkendes Glutathion zu bauen etc. Ein berühmtes Proto-Onkogen,  welches als Transkriptionsfaktor auf die L-Glutamin- Verwertbarkeit von Tumoren einwirkt, ist c-Myc. Zur Prävention von oraler Mucositis bei HNO-Tumoren oder zur Prävention von Tumorkachexie oder Nausea kann L-Glutamin gut eingesetzt werden (z. B. als orale Spüllösungen), jedoch ist L-Glutamin nicht in allen Fällen indiziert. Tiefe Glutaminspiegel aufgrund vorbestehender kataboler Stoffwechselzustände korrelieren auch mit einer schlechten Prognose einer Covid-19-Erkrankung, und eine Studie zur Supplementierung mit 3 × 10 g täglich deutet auf einen weniger langen Spitalaufenthalt und ein besseres Outcome hin. Auch im Sport wird L-Glutamin häufig supplementiert – grob zusammengefasst scheint es die eigentliche Leistungsfähigkeit nicht zu verbessern, reduziert jedoch die Fatigue und das trainingsbedingte Infektionsrisiko.

Fazit

L-Glutamin ist ein wichtiges Molekül, das bei Weitem nicht nur Energie für den Darm liefert, auch wenn dies klar das häufigste Einsatzgebiet ist. In bestimmten Situationen (z. B. Stress, Wundheilung), die mit einem erhöhten Glutamin- Bedarf einhergehen, ist eine Supplementierung
mit Glutamin sinnvoll. Oft werden relativ hohe Dosierungen von über 10g pro Tag eingesetzt und auch gut vertragen.

Quellen

Cruzat V et al. Glutamine: Metabolism and Immune Function, Supplementation and Clinical Translation. Nutrients. 2018;10(11):1564
Perna S, Alalwan TA, Alaali Z, et al. The Role of Glutamine in the Complex Interaction between Gut Microbiota and Health: A Narrative Review. Int J Mol Sci. 2019;20(20):5232.
Arribas-López E et al. The Effect of Amino Acids on Wound Healing: A Systematic Review and Meta-Analysis on Arginine and Glutamine. Nutrients. 2021;13(8):2498.
Bott AJ et al. Oncogenic Myc Induces Expression of Glutamine Synthetase through Promoter Demethylation. Cell Metab. 2015;22(6):1068-1077.
Anderson PM, Lalla RV. Glutamine for Amelioration of Radiation and Chemotherapy Associated Mucositis during Cancer Therapy. Nutrients. 2020;12(6):1675.
Cengiz M, Borku Uysal B, Ikitimur H, et al. Effect of oral l-Glutamine supplementation on Covid-19 treatment. Clin Nutr Exp. 2020;33:24-31.
Coqueiro AY, Rogero MM, Tirapegui J. Glutamine as an Anti-Fatigue Amino Acid in Sports Nutrition. Nutrients. 2019;11(4):863.