Vitamin B12 – Fragen und Antworten zu einem viel gebrauchten Mikronährstoff
Welches sind die Ursachen eines Vitamin-B12-Mangels?
1. Eine unzureichende Zufuhr über die Ernährung
Vitamin B12 findet sich ausschliesslich in tierischen Lebensmitteln. Daher sollten besonders Vegetarier und Veganer regelmässig ihrem Vitamin-B12-Status besondere Aufmerksamkeit widmen. Immer wieder wird auf hohe Vitamin-B12-Gehalte in Spirulina- oder AFA-Algen hingewiesen. Diese Vitamin-B12-Analoga haben aber keinerlei Vitaminwirkung.
2. Die Verwertung von Vitamin B12 kann gestört sein
Für die Aufnahme von Vitamin B12 bei „normaler Zufuhr“ ist der im Magen gebildete Intrinsische Faktor unerlässlich. Bei älteren Menschen wird dieser weniger gebildet, sodass das Vitamin B12 nicht mehr so gut resorbiert werden kann. Dies ist z. B. auch bei Personen mit einer atrophischen Gastritis, aber auch nach bariatrischen Eingriffen der Fall.
Auch bei chronischen Darmerkrankungen wie z. B. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ist die Resorptionsleistung der limitierende Faktor für eine genügende Vitamin-B12-Zufuhr.
3. Auch Medikamente können den Vitamin-B12-Haushalt beeinträchtigen
Bei einer Behandlung mit dem Antidiabetikum Metformin oder auch bei einer längerfristigen Einnahme von Protonenpumpenhemmern kann es aus unterschiedlichen Gründen zu einem Vitamin-B12-Mangel kommen. Bei solchen Patienten muss der Vitamin-B12-Status regelmässig überprüft und Vitamin B12 bei Bedarf supplementiert werden.
Welches sind die Risikogruppen für einen Vitamin-B12-Mangel?
- ältere Menschen
- Vegetarier, Veganer
- Personen mit gastrointestinalen Erkrankungen
- Menschen mit einem erhöhten Vitamin-B12-Bedarf (z. B. Schwangere, Stillende, bei Autoimmunerkrankungen)
- Nierenpatienten
Wie erfolgt die Aufnahme von Vitamin B12 und welche Dosierungen sind sinnvoll?
Normalerweise wird Vitamin B12 – sei es über Lebensmittel oder über niedrig dosierte Nahrungsergänzungsmittel (im 1-stelligen Mikrogramm-Bereich) – mithilfe des Intrinsischen Faktors in einer täglichen Menge von ca. 1.5 µg aufgenommen. Bei höher dosierten Vitamin-B12-Präparaten (z. B. 500 µg Vitamin B12) wird das Vitamin B12 mittels einer passiven Diffusion über den gesamten Dünndarm aufgenommen. Dabei beträgt die Resorptionsquote ca. 1 %, d. h., bei einer Dosierung von 500 µg Vitamin B12 werden zusätzlich 5 µg Vitamin B12 aufgenommen.
Vitamin-B12-Dosierungen
gesunde Erwachsene* | 4 µg/Tag |
Schwangere* | 4.5 µg/Tag |
Stillende* | 5.5 µg/Tag |
ernährungsbedingter Mangel** | 10–1000 µg/Tag |
bei Verwertungsstörungen | 500–1000 µg/Tag |
Kompensation bei Einnahme von Metformin, Protonenpumpenhemmern | 500–1000 µg/Tag |
Therapie eines im Labor festgestellten Mangels | 500–1000 µg/Tag |
*gemäss DACH-Empfehlungen (Stand 03.2021)
** Hochdosierte Präparate während einer begrenzten Zeit zum Wiederauffüllen der Speicher
Vitamin B12 kann peroral oder durch Injektion verabreicht werden – was ist wirkungsvoller?
Neuere Studien haben gezeigt, dass die beiden Verabreichungsformen einen vergleichbaren klinischen Nutzen haben.1 Das sind also gute Neuigkeiten für alle diejenigen, die sich nicht gerne spritzen lassen.
Das Märchen von den „aktivierten“ Vitamin-B12-Verbindungen
Zahlreiche Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln heben die Bedeutung von „aktivierten“ Vitamin-B12-Verbindungen hervor. Dabei geht es um angebliche Wirkungsvorteile von Methylcobalamin und Adenosylcobalamin gegenüber den „nicht aktivierten“ Cyano- und Hydroxocobalamin. Fakt ist, dass die Methyl-, Hydroxo-, Adenosyl- und Cyano-Teilchen allesamt abgespalten werden., d. h. alle oral zugeführten Vitamin-B12-Verbindungen als „nackte“ Cobalamine aufgenommen werden. Die eigentliche Aktivierung der Cobalamine findet erst später in den einzelnen Zellen im Gewebe statt, wenn das B12 als Cofaktor eines Enzyms dient. Das heisst, dass keine der oral zugeführten Vitamin-B12-Verbindungen hinsichtlich ihres klinischen Nutzens besser oder schlechter ist. Alle anderslautenden Behauptungen entbehren jeglicher wissenschaftlichen Grundlage.
Mehr dazu finden Sie in unserem Fachartikel "Vitamin B12 und aktivierte Märchen.
Das Märchen vom giftigen Cyanocobalamin
In zahlreichen Internetbeiträgen wird die weltweit am meisten verwendete Vitamin-B12-Verbindung – das Cyanocobalamin – wegen ihres Cyano-Anteils im Molekül (=2 % des Mol-Gewichts) als „toxisch“ und „schlecht“ verurteilt. Fakt ist, dass aus wissenschaftlicher Sicht nichts gegen Cyanocobalamin spricht: Bei einer Zufuhr von 10 µg Cyanocobalamin wird ca. 22ʼ000-mal weniger Blausäure zugeführt als mit einer gesunden 20-g-Portion Leinsamen.2
Unser Fazit: das Risiko für einen Vitamin-B12-Mangel wird grösser
Der Kreis von Personen mit einem möglichen Vitamin-B12-Mangelrisiko wird nicht zuletzt wegen des Trends zu einer fleischarmen Ernährung immer grösser. Neben älteren Menschen und Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern und Medikationen sind auch immer häufiger gesunde Erwachsene, Jugendliche und sogar Kinder von einem Vitamin-B12-Mangel betroffen. Fachpersonen sollten diesem Aspekt bei ihrer Beratung zukünftig noch grössere Beachtung schenken.
Literatur
1 Wang H et al. Oral vitamin B12 versus intramuscular vitamin B12 for vitamin B12 deficiency. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, Issue 3. Art. No.: CD004655. – Accessed 16 March 2021.